In der Literatur findet sich eine Vielzahl an
Definitions- und Abgrenzungsversuchen von Prävention und Gesundheitsförderung,
wobei hinsichtlich der Verwendung beider Begriffe zum Teil erhebliche
Differenzen bestehen. Im Folgenden werden Merkmale sowie Möglichkeiten der
Abgrenzung der Begriffe dargestellt.
Bei der Betrachtung unterschiedlicher Sichtweisen von Gesundheit und Krankheit
ergibt sich eine Vielzahl an Differenzierungskriterien. Aus einer
wissenschaftlichen Perspektive heraus werden verschiedene Dimensionen von
Gesundheit und Krankheit (zum Beispiel physische, psychische, soziale und
emotionale), unterschiedliche Auffassungen von Gesundheit und Krankheit (zum
Beispiel als alternative Zustände oder als Endpunkte eines gedachten Kontinuums
mit fließenden Übergängen zwischen beiden Polen) sowie unterschiedliche Konzepte
(zum Beispiel krankheits-, risikofaktorenorientiert = Pathogenese; gesundheits-,
ressourcenorientiert = Salutogenese) diskutiert. Dem gegenüber stehen die
individuellen, subjektiven Gesundheits- beziehungsweise Krankheitszustände sowie
die verschiedenen Laienkonzepte (subjektive Konzepte oder Alltagskonzepte) von
Gesundheit und Krankheit, die sich je nach zum Beispiel Gesellschaft, Kultur,
Religion, Geschlecht, Alter oder sozialer Schichtzugehörigkeit voneinander
unterscheiden.
„Prävention“ (lat. praevenire = zuvorkommen) beschreibt die Verhütung von
Krankheiten durch Maßnahmen zur Minimierung von Krankheitsursachen und -risiken,
durch Früherkennung und -behandlung oder durch Vermeidung des Fortschreitens
einer bestehenden Krankheit. Es werden je nach Zeitpunkt einer Maßnahme die drei
Präventionsebenen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterschieden. In
Bezug auf die unterschiedliche Dimension und Handlungsebene der Zielgruppen wird
von universaler (bevölkerungsbezogener), selektiver (= fest umrissene
Zielgruppe) beziehungsweise indizierter Prävention (Gruppen und Individuen)
gesprochen. Selektive und indizierte Prävention beziehen sich auf Risikoträger
beziehungsweise Träger mit manifesten Störungen. Als Basisstrategien gelten
Verhaltens- und Verhältnisprävention.
In der
Ottawa-Charta (1986) heißt es, dass Gesundheitsförderung auf einen Prozess
zielt, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit
zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Die
Verantwortung für Gesundheitsförderung betrifft nicht nur den Gesundheitssektor,
sondern alle Politikbereiche. Sie strebt die Entwicklung gesunder Lebensweisen
und die Förderung eines umfassenden Wohlbefindens an. Auf der vierten
internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung (Jakarta, 1997) wurde diese
Definition erweitert. Gesundheitsförderung wird nunmehr als ein Prozess
verstanden, der Menschen befähigen soll, mehr Kontrolle über ihre Gesundheit zu
erlangen und sie durch Beeinflussung der Determinanten für Gesundheit zu
verbessern.
Im Folgenden wird stichpunktartig auf die Ziele und
die Zielgruppen der Gesundheitsförderung eingegangen. Eine praxisnahe Übersicht
über zentrale Handlungsstrategien und -bereiche wird ebenso vorgestellt.
Die grundlegenden Prinzipien und Merkmale der
Gesundheitsförderung lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Ein Setting wird einerseits als soziales System beschrieben, das eine Vielzahl relevanter Umwelteinflüsse auf eine bestimmte Personengruppe umfasst. Andererseits ist es ein System, in dem die Bedingungen von Gesundheit und Krankheit gestaltet werden können. Settings sind die Basis für die praktische Anwendung von Maßnahmen, Projekten und Prozessen zur Organisationsentwicklung der Gesundheitsförderung. Durch ihre Organisationsstruktur und ihre sozialen Gefüge haben Settings einen entscheidenden Einfluss auf die dazugehörigen Individuen und Statusgruppen. Beispiele für einzelne Settings sind Stadt, Stadtteil, Kommune, Betrieb beziehungsweise Unternehmen, Krankenhaus, ambulante Praxis, Pflegeeinrichtung, Familie, Kindertageseinrichtung, Schule und Hochschule.
Eine der drei zentralen Handlungsstrategien in der
Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung lautet „vermitteln und vernetzen“ (engl.
mediate). Gemäß der WHO ist „vermitteln und vernetzen“ ein
Prozess, durch den die verschiedenen Interessen von Individuen und
Gemeinschaften sowie unterschiedlichen Sektoren in Einklang gebracht werden, mit
dem Ziel, die Gesundheit zu erhalten, zu schützen beziehungsweise zu fördern.
Gesundheitsförderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die ein
Zusammenwirken aller relevanten Bereiche und Akteure, das heißt die Koordination
und Kooperation der Regierungen, der Gesundheits-, Sozial-, Wirtschafts- und
Umweltsektoren, der nicht staatlichen Verbände, der Initiativen, der Medien und
so weiter erfordert. Den Fachkundigen und Expertinnen beziehungsweise Experten
des Gesundheitswesens kommt in der Anwendung von „vermitteln und vernetzen“
zwischen den verschiedenen Interessen dieser Akteure eine besondere
Verantwortung zu.